Arbeitsbereiche

Schwerpunkte unserer Beratung

Kinder und Jugendliche in der Prostitution

Hilfeangebot speziell für Kinder und Jugendliche

Die Mitternachtsmission bietet seit 2001 ein Hilfeangebot speziell für Kinder und Jugendliche in der Prostitution an. Seit Aufnahme der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in der Prostitution, wenden sich immer mehr Betroffene mit der Bitte um Beratung und Unterstützung an die Mitternachtsmission.
In Dortmund gibt es außer der Mitternachtsmission keine Institution, die gezielt mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, die der Prostitution nachgehen.

Wir werden von Eltern, Pflegeeltern, Erzieher_innen, Lehrer_innen und Pfarrer_innen, die vermuten oder wissen, dass Kinder und Jugendliche der Prostitution nachgehen, um Hilfe und Unterstützung gebeten. Außerdem kommen durch Erziehungsberatungsstellen, Einrichtungen der Jugendhilfe, Ärzte und Krankenhäuser, Kinder und Jugendliche in unsere Beratung.

Die genaue Größenordnung der Prostitution von Kindern und Jugendlichen lässt sich nur schwer ermitteln, da die Betroffenen oft falsche Angaben über ihr Alter machen. Außerdem werden sie häufig von Zuhältern stark abgeschirmt, so dass die Kontaktaufnahme erschwert wird und besonders zeitaufwändig ist.

Das Leben dieser jungen Mädchen ist meistens geprägt durch Kontaktabbrüche zum Elternhaus und Freundeskreis, Obdachlosigkeit, Alkohol- und Drogenkonsum, Existenzängsten, Schul- und Ausbildungsabbrüchen sowie Flucht vor Ordnungsbehörden und Jugendämtern. Psychische Auffälligkeiten, z.B. Essstörungen, selbst verletzendes und stark sexualisiertes Verhalten sind immer öfter zu beobachten.

Mit dem Arbeitsbereich „Kinder und Jugendliche in der Prostitution“ ist ein Angebot geschaffen worden, dass auf gänzlich freiwilliger Basis, kostenlos in Anspruch genommen werden kann und schnelle, unbürokratische Hilfe gewährleistet.

Unser Hilfekonzept für Minderjährige sieht vier Schwerpunkte vor:

  • Streetwork: Kontakte knüpfen und halten
  • Psychosoziale Beratung und Betreuung: z.B. Einzelgespräche, Existenzsicherung, Gesundheitsvorsorge.
  • Vernetzungs- und Öffentlichkeitsarbeit
  • Präventionsarbeit an Schulen

Linienstraße

Bordellstraße in Dortmund

Die Linienstraße ist die Bordellstraße in Dortmund. Sie liegt in der nördlichen Innenstadt hinter dem Hauptbahnhof. Sie gehört nicht zum Sperrbezirk. Die Bordellstraße wird im Norden durch das Parkhaus des Dietrich-Keuning-Hauses und im Süden durch einen Sichtschutz zur Steinstraße begrenzt.
Bis zu ca. 200 Frauen* können in den 16 Häusern der Linienstraße der Prostitution nachgehen. Die Frauen* müssen volljährig sein und angemeldet sein. Das heißt, es muss beim Gesundheitsamt eine Gesundheitsberatung und beim Ordnungsamt die Erlaubnis nach dem ProstSchG erteilt werden.
Um im Milieu bekannt zu bleiben und Kontakt zu möglichst vielen Frauen* aufzunehmen, ist es erforderlich, dass regelmäßige Besuche zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten erfolgen. Neben der Information über das Beratungsangebot werden die Frauen auch regelmäßig über weitere für sie wichtigen Themen informiert (z.B. ProstSchG, Krankenversicherung,) und vieles mehr.

Arbeitsbedingungen in der Linienstraße

Die Frauen*, die in der Linienstraße arbeiten, haben sich in der Regel bewusst für den Arbeitsplatz in einer Bordellstraße entschieden. Im Gegensatz zu vielen Bars gibt es in der Linienstraße keine Verpflichtung für die Frauen*, Alkohol zu konsumieren. Die sexuellen Dienstleistungen werden, anders als in Clubs und Saunabetrieben, meist schnell erledigt. Am Fenster der „Koberräume“ werden die ersten geschäftlichen Verhandlungen geführt. Für den Erfolg spielt die persönliche Anziehungskraft eine entscheidende Rolle.
Die in der Linienstraße stattfindende Prostitution ist, was Übergriffe von Kunden angeht, relativ sicher. Die Polizei fährt regelmäßig Streife, und bei Problemen mit Kunden ist die Hilfe von Kolleg*Innen und Wirtschafter*Innen meist gegeben. Diese können über ein Telefon, einen Alarmknopf oder durch Hilferufe alarmiert werden.

Um im Milieu bekannt zu bleiben und Kontakt zu möglichst vielen Frauen aufzunehmen, ist es erforderlich, dass regelmäßige Besuche zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten erfolgen. Neben der Information über das Beratungsangebot werden die Frauen auch über weitere, für sie wichtige Themen informiert (z.B. Krankenversicherung für Prostituierte, Sexarbeiterkongress und sozialrechtlicher Gleichstellung).

Beschaffungsprostitution

Von Beschaffungsprostitution ist die Rede, wenn Personen sich prostituieren, um ihren Drogenkonsum zu finanzieren. Sie sehen in der Prostitution die Möglichkeit, genug Geld für die benötigten Drogen zu verdienen, ohne Straftaten wie Einbrüche, Überfälle etc. zu begehen.
Beschaffungsprostitution findet überwiegend in Dortmund auf dem illegalen Straßenstrich in der nördlichen Innenstadt statt. Andere Stadtbezirke sowie die Innenstadt werden auch aufgesucht.
Der überwiegende Teil der Klient*innen in der Beschaffungsprostitution befinden sich in einer schwierigen gesundheitlichen Situation, wobei neben der Drogenabhängigkeit auch psychische Probleme zu verzeichnen sind. Insbesondere Frauen, die keinen Krankenversicherungsschutz haben, sind auf die kostenlosen Untersuchungs- und Behandlungsangebote des Gesundheitsamtes, des aufsuchenden medizinischen Dienstes und des Mobilen Medizinischen Dienstes des Gasthauses angewiesen. Besonders intensiv muss die Unterstützung der betroffenen Frauen sein, wenn sie schwanger und/oder wohnungslos sind.
Darüber hinaus stehen die Personen einer prekären Wohnsituation gegenüber. Die meisten der Klient*innen sind ohne eigene Wohnung. Sie halten sich nächtelang draußen auf oder schlafen bei Kunden und Bekannten, die wiederum sexuelle Handlungen als Gegenleistung erwarten.

Was tun wir?

Der Schwerpunkt der Arbeit im Bereich der Beschaffungsprostitution liegt in der aufsuchenden Sozialarbeit/ Streetwork. Das Unterstützungsangebot ist zunächst niedrigschwellig. Die Streetworkerinnen bieten bei Bedarf eine Basisversorgung mit Lebensmitteln, Hygieneartikel und Kleidung an.
Bei gesundheitlichen Problemen werden die Klient*innen begleitet, sich medizinisch versorgen und behandeln zu lassen.
Ein weiterer Bestandteil der Beratungsarbeit in diesem Bereich ist, die Zielgruppe über ihre rechtliche Situation zu informieren und präventiv zu beraten. Bei Fällen von Übergriffen und Vergewaltigungen bieten die Streetworkerinnen den betroffenen Frauen an, sie zur Polizei und zu Gericht zu begleiten und eine Rechtsanwältin in Anspruch zu nehmen.
Multikomplexe Problemlagen wie Sucht, Wohnungslosigkeit, Schulden sowie psychische und physische Erkrankungen erhöhen den Unterstützungsbedarf.
Durch die aufsuchende Arbeit zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten sowie die Flexibilität unserer Streetworkerinnen und durch die hohe Präsenz im Milieu ist es möglich, auch Menschen zu erreichen, die vom übrigen Hilfenetz nicht (mehr) erreicht werden.

Hilfen sind unter anderen:

  • Gesundheitsaufklärung, insbesondere zu STIs
  • Bereitstellung von Kondomen, Hygieneartikeln, Nahrungsmitteln, Kleidung
  • Möglichkeit, in der Beratungsstelle zu duschen und Wäsche zu waschen
  • Begleitung zu (substituierenden) Ärzt*innen und ins Krankenhaus
  • Hilfe im Umgang mit Behörden und Ämtern, z.B. bei der Beschaffung von Ausweispapieren
  • Begleitung zu Gesprächen mit Rechtsanwält*innen, zur Polizei und zu Gerichtsterminen
  • Wohnraumsuche und -sicherung
  • Schlafplatzvermittlung
  • Vermittlung zu Einrichtungen der Drogenhilfe
  • Vermittlung in einen Entgiftungsplatz oder Therapien
  • Hilfen für Schwangere
  • Krisenintervention und Notfallhilfe
  • Besuche in der JVA

Straßenprostitution

Die aufsuchende Arbeit im Bereich Straßenprostitution findet im Bereich der Nordstadt sowie in der Innenstadt zwei bis drei Mal täglich, an 365 Tagen im Jahr, zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten statt. In den Abendstunden gehen die Streetworkerinnen zu zweit.
Durch Kontaktgespräche, das Verteilen von mehrsprachigen Flyern und anderen Informationsmaterialien zum Thema Infektionsschutz und sexuell übertragbaren Krankheiten wird die Unterstützung der Mitternachtsmission angeboten. Die kostenlose Abgabe von Kondomen ermöglicht eine Kontaktaufnahme und schafft schnell Vertrauen.
Schwerpunkte der Arbeit sind hier zunächst niedrigschwellige Hilfen – Basisversorgung mit Kleidung, Lebensmitteln und Hygieneartikeln, Krisenintervention und Notfallhilfen und die Vermittlung in medizinische Versorgung.
Besonderheiten dieses Arbeitsbereichs: Im Gegensatz zu anderen Bereichen findet die Anbahnung auf der Straße, in der Öffentlichkeit, statt. Dies bedeutet, dass unsere Klientel einem erhöhten Maß an Verurteilung von Anwohner*innen und Passant*innen ausgesetzt ist. Es besteht immer die Gefahr, von Bekannten und Verwandten gesehen zu werden. Dies führt zu Ängsten, insbesondere wenn unsere Klient*innen Kinder haben, die nichts von der Tätigkeit ihrer Eltern wissen. Da sie bei jeder Witterung arbeiten, steigt auch die Anfälligkeit für Krankheiten, wie Erkältungs- und Unterleibserkrankungen.
Da oft kein Zugang zu Wohnraum besteht, sind viele gezwungen, sexuelle Dienstleistungen im Auto der Kunden zu erbringen, wodurch ihre hygienischen Bedürfnisse nicht ausreichend erfüllt werden können. Wenn die vereinbarten Leistungen an abgelegenen Orten durchgeführt werden, sind unsere Klient*innen potenziell schutzlos Gewalt ausgeliefert. Dies gilt auch für Sexarbeitende, die bereit sind, Kundschaft in deren Wohnung zu begleiten.
Bei Straßenprostituierten handelt es sich um:

  • Straßenprostituierte, die ihren Lebensunterhalt ausschließlich durch Prostitution finanzieren oder gelegentlich der Prostitution nachgehen
  • Beschaffungsprostituierte: drogenabhängige Frauen und Mädchen, die sich prostituieren, um ihren Drogenkonsum zu finanzieren
  • Kinder und Jugendliche in der Prostitution
  • trans*Personen
  • Stricher (in Kooperation mit neonlicht)

HIV/AIDS und STI-Beratung

Aufklärung, Prävention und Unterstützung für eine gesündere Zukunft

Seit Juli 2000 ist das „Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen“ (Infektionsschutzgesetz-IfSG) in Kraft. Das Gesetz zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten und das Bundesseuchengesetz wurden abgeschafft.

Laut diesem Gesetz steht die Aufklärung und Prävention (Vorbeugung) im Vordergrund und nicht mehr die Verfolgung und Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten.

Schwerpunkte der Beratungsarbeit der Mitternachtsmission waren Aufklärung, Information und Betreuung/Begleitung im Bereich sexuell übertragbarer Infektionen (STI). Die von der Mitternachtsmission entwickelten mehrsprachigen Flyer (Deutsch, Russisch, Polnisch, Englisch, Bulgarisch, Rumänisch, Französisch, Spanisch und Thailändisch) zu diesem Bereich werden von den Prostituierten, auch von den Migrantinnen in der Prostitution, gut angenommen. Die Flyer der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) und der Deutschen Aidshilfe e.V. werden zusätzlich verteilt.

In diesem Bereich ist die Beratung besonders wichtig, da hier überwiegend ausländische Prostituierte illegal arbeiten und sich nicht trauen, gesundheitliche Beratung bei Ämtern oder Ärzten in Anspruch zu nehmen, wenn sie nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen. Insbesondere der ständige Hinweis, dass eine Untersuchung anonym durchgeführt werden kann, ist hier wichtig. Bei den Gesprächen mit den Frauen in allen Arbeitsbereichen äußerten die Klientinnen großes Interesse und Besorgnis, dass sexuell übertragbare Krankheiten ein stark erhöhtes Berufsrisiko sind.

HIV/AIDS und STI-Beratung umfasst:

  • Beratungs- und Informationsgespräche bezüglich HIV- und STI-Infektionen und der Testung
  • Verteilung von Kondomen mit der Zielsetzung, die Bereitschaft zur Benutzung zu erhöhen
  • Beratung und Betreuung von HIV- und STI-Infizierten Klientinnen

Bordellartige Betriebe

Ganzheitliche aufsuchende Arbeit

Zu den bordellartigen Betrieben gehören Einrichtungen wie Sauna- und FKK-Clubs, Escort-Services, Bars oder Nachtclubs, als auch die Apartment- und Wohnungsprostitution.

Diese Form der Prostitution findet man im gesamten Stadtgebiet. Bordellartige Betriebe werden vom Umfeld meist nicht als störend empfunden, weil die Kunden selbst Wert auf Anonymität und Diskretion legen. Nach dem „Dortmunder Modell“ müssen alle Einrichtungen ab drei Prostituierten als Bordellbetrieb angemeldet werden.

Die Zahl der im Bereich bordellartigen Betriebe in Dortmund arbeitenden Frauen ist hoch. Die Frauen arbeiten in der Regel als Selbständige. Thekenbedienungen sind auch abhängig beschäftigt.

Wohnungsprostitution

Die Wohnungen verteilen sich großflächig über das gesamte Stadtgebiet. Wohnungen und Apartments sind überwiegend von den Frauen selbst angemietet. Sie mieten aber nicht nur von den Hausbesitzern direkt, sondern auch von Hauptmietern, die häufig täglich die Miete kassieren. Zunehmend handelt es sich um Mieterinnen aus Deutschland, Polen, Rumänien und Thailand.

Die Frauen bieten ihre Dienste meist über das Internet und in den Tageszeitungen an. Um erfolgreich zu sein, ist es notwendig auf mehreren Websites zu inserieren. Das verursacht hohe Kosten. Hinzu kommen hohe Mieten. So nehmen Vermieter z.B. für ein 30 qm Apartment bis zu 1000 Euro monatlich. Oft können die Frauen ihre Privatwohnungen nicht mehr bezahlen und wohnen dann auch am Arbeitsplatz. Bei Krankheit laufen die Kosten für Miete, Werbung, Krankenversicherung, etc. unverändert weiter, so dass schnell hohe Schulden entstehen, die später nicht abbezahlt werden können.

prostitution in Gaststätten

Gaststätten können zur Anbahnung dienen: Dabei werden die Dienstleistungen oft in der eigenen Wohnung, aber auch in speziell angemieteten Wohnungen oder Hotels durchgeführt. Häufig dienen die Kneipen auch als erster Treffpunkt, nachdem die Kontaktaufnahme über das Internet erfolgte.

Grundsätzlich bedarf aufsuchende Arbeit in den Kneipen, Clubs und Gaststätten Kontinuität, da ein Vertrauensverhältnis zu den Gastwirt*innen sowie zu den Prostituierten aufgebaut werden muss. Die häufigen Wechsel von Betreiber*innen in der Dortmunder Nordstadt, erschweren diesen Prozess.
Die meisten Kneipen, in denen Anbahnung stattfindet, liegen im Sperrbezirk, so dass die Ausübung der Prostitution nicht erlaubt ist. Durch das Verbot der Straßenprostitution für das gesamte Stadtgebiet Dortmund und verstärkte Kontrollen ging in den vergangenen Jahren die Anzahl der in Kneipen der Dortmunder Nordstadt anbahnenden Prostituierten erheblich zurück. Auch die Gastwirt*innen vermieden das Risiko, mit Sanktionen wegen Anbahnung von Prostitution in ihren Betrieben bestraft zu werden.
Die Anbahnung von Prostitution in Gaststätten wird sich unseres Erachtens nicht ganz verdrängen lassen.

Bei Prostitution in Gaststätten handelt es sich um Personen,

  • die keiner legalen Arbeit nachgehen können
  • die nur gelegentlich, der Prostitution nachgehen wollen oder können
  • die sich z.B. in Kneipen, Spielhallen und Wettbüros aufhalten, um hier potentielle Kunden anzusprechen
  • die durch die Prostitution ihre Rente aufbessern wollen
  • Alleinerziehende


Die Beratung in den Kneipen ist besonders aufwändig, da den Streetworkern zunächst mit Vorsicht und Misstrauen begegnet wird. Die Beratung konzentriert sich in erster Linie darauf, die Rechtssituation zu erklären und über sexuelle Ausbeutung und Gewalt zu beraten. Ebenso umfassend ist die Beratung hinsichtlich sexuell übertragbarer Krankheiten (STI) und Präventionsmöglichkeiten.

Hilfe für Opfer von Menschenhandel

Stärken und Empowern

Menschenhandel und Ausbeutung sind als Straftaten im Strafgesetzbuch (StGB) im 18. Abschnitt (Straftaten gegen die persönliche Freiheit) definiert.

Die persönliche Freiheit von Menschen wird mit den nachfolgenden Straftatbeständen geschützt:

  • 232    StGB Menschenhandel
  • 232a  StGB Zwangsprostitution
  • 232b  StGB Zwangsarbeit
  • 233    StGB Ausbeutung der Arbeitskraft
  • 233a  StGB Ausbeutung unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung


Ergänzend sind die Grundsätze des Lohnwuchers nach § 291 Abs. 1 Nr. 3 StGB sowie der § 266a StGB Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelten zu nennen.

Neben diesen Vorschriften können auch Vorschriften aus dem Sexualstrafrecht eine Rolle spielen, wie zum Beispiel § 179 StGB sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen, § 180 a StGB (Ausbeutung der Prostitution) oder der § 181 a Zuhälterei.

Die Dortmunder Mitternachtsmission fokussiert sich auf Menschenhandel/Zwangsprostitution. Dies sind überwiegend Frauen und Mädchen, die mit falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt und hier mit psychischem und/oder physischem Druck zur Prostitution gezwungen werden. Menschenhandel in die Prostitution (Zwangsprostitution) ist sexuelle Gewalt und ein schweres Verbrechen. Betroffene der anderen Ausbeutungsformen können nur in Ausnahmefällen betreut werden.

Die Frauen sind hilflos, haben oft keine deutschen Sprachkenntnisse und werden durch sexuelle Misshandlungen und Demütigungen, Prügel, Folter, Drogen, Alkohol, Medikamente und Drohungen oder auch Voodoo gefügig gemacht. Den eingeschüchterten Frauen und Mädchen werden durch die Menschenhändler alle Hoffnungen auf Hilfe durch Behörden genommen.

Wir können feststellen, dass sich das Spektrum der Herkunftsländer von Opfern von Menschenhandel ständig erweitert. Sie kommen überwiegend aus afrikanischen Ländern. Es gibt Frauen aus Ost- und Südosteuropa, aus Asien und Süd- und Mittelamerika. Ein Teil der Klientinnen sind deutsche Frauen, z.T. mit Migrationshintergrund.

Neben der Erstversorgung mit Lebensmitteln und Kleidung, der Sicherstellung von ärztlicher Hilfe, der sicheren Unterbringung, der psychosozialen Betreuung und der Prozessbegleitung gehören die Kostenklärung für die Versorgung während des Aufenthaltes, die Beantragung von Passersatzpapieren und Duldungen und die Organisation der Heimreise zu den sozialarbeiterischen Tätigkeiten der Mitternachtsmission.

Vermehrt werden Opfer von Menschenhandel im Rahmen des Asylverfahrens betreut. Die Mitternachtsmission hilft bei der Antragstellung und begleitet die Frauen zur Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Wir helfen bei der Beantragung ihrer Papiere im In- und Ausland, bei der Familienzusammenführung, bei der Suche von Schul- und Ausbildungsplätzen für die Klientinnen und deren Kinder, bei der Beantragung der Sozialleistungen, bei der Wohnungssuche und der Aufnahme in die Krankenkasse.

Wenn dann etwas Ruhe und Sicherheit in das Leben der Klientin eingekehrt ist, helfen wir auch bei der Suche eines Therapeuten zur Aufarbeitung von traumatischen Erlebnissen.

Wir setzen uns bei unseren Klientinnen verstärkt für deren Integration ein. Auch in Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit ist es möglich, Klientinnen in Arbeit oder auch in Ausbildungsstellen zu vermitteln. Somit sind sie nicht mehr auf öffentliche Mittel angewiesen.

Besonders wichtig ist die Begleitung von Opferzeuginnen bei Gerichtsprozessen. Ein solcher Prozess ist für die Frauen enorm belastend und kann, besonders ohne eine intensive Begleitung durch Sozialarbeiterinnen, retraumatisierend sein.

Um die Klientinnen angemessen betreuen zu können werden die Sozialarbeiterinnen von muttersprachlichen Honorarmitarbeiterinnen, die über die entsprechenden kulturellen Hintergründe verfügen, unterstützt. Das ermöglicht nicht nur eine gute sprachliche Verständigung, sondern auch eine vertrauensvolle, bedürfnisorientierte Betreuung der betroffenen Klientinnen.

Nachgehende Aus- und Umstiegshilfen und Ehemaligenarbeit

Bei Prostituierten handelt es sich um eine äußerst heterogene Gruppe. Die sozialen und materiellen Gegebenheiten, in denen die einzelnen leben und arbeiten, sind sehr unterschiedlich und somit ist auch die Motivation, die Prostitutionstätigkeit beenden zu wollen, bei den einzelnen sehr verschieden mit der Konsequenz unterschiedlicher Unterstützungsbedarfe. Die Begleitung und Unterstützung beim Ausstieg/Umstieg muss daher immer individuell an den Bedürfnissen, Wünschen und Zielen der einzelnen Klient*in orientiert sein, sie muss aber dennoch realisierbar sein.

Oftmals entsteht der Wunsch aus dem Milieu auszusteigen, wenn die Prostitutionstätigkeit die Grenzen psychischer und/oder physischer Belastbarkeit überschreitet und oder wenn der Verdienst nicht mehr die Lebenshaltungskosten deckt.

Die Klient*innen stehen vor folgenden Herausforderungen:

  • Finanzielle Absicherung: Da in den der Mitternachtsmission bekannten Fällen Aussteiger*innen oft keine Aussicht auf rasche Vermittlung in eine Arbeitsstelle haben, bleibt ihnen zunächst der Antrag auf Bürgergeld, um die Existenz sichern zu können.
    Erfreulicherweise hat die Mitternachtsmission feste Ansprechpartner*innen beim Jobcenter (angesiedelt beim Sozialamt „Hilfen für Frauen in Notlagen“). Das bundesweit einmalige und viel gelobte Programm ermöglicht es, mit gesicherter Existenzgrundlage psychosoziale Probleme aufzuarbeiten und in einem kürzest möglichen Zeitraum den angestrebten Umstieg in andere Erwerbstätigkeiten zu erreichen.
    Für viele ist die Beantragung von Bürgergeld aber keine Option und sie arbeiten solange weiter, bis sie alternative Beschäftigungsmöglichkeiten gefunden haben.
    Andere, besonders EU-Migrant*innen, erfüllen oftmals nicht die Voraussetzungen, um Sozialleistungen in Anspruch nehmen zu können.
  • Wohnraumsicherung und Wohnraumbeschaffung: Wohnungsbeschaffung wird notwendig für Klient*innen, die noch mit einer Partner*in aus dem Milieu zusammenleben, eine überhöhte Miete zahlen oder am Arbeitsplatz gewohnt haben. Da eine starke Nachfrage nach preisgünstigem Wohnraum besteht und die Bewilligung von Mietübernahmen durch die Ämter streng gehandhabt wird, ist dies immer noch eine schwierige Aufgabe. 
  • Verschuldung/Überschuldung: Viele haben sich verschuldet und benötigen bei der Regulierung intensive Hilfen über einen längeren Zeitraum. Besonders hinsichtlich Existenzsicherung, Beitragsrückständen in der Krankenversicherung, Mietrückständen und Energieschulden, Schulden bei Finanzamt, Handyverträgen und Begleichung von Bußgeldern müssen Klient*innen bei der Regulierung unterstützt werden.
  • Aufarbeitung von psychosozialen Problemen:
    Einige leiden nach Beendigung der Prostitutionstätigkeit unter psychischen Problemen und Erkrankungen.
    Bei diesen Klient*innen liegt der Schwerpunkt der Beratung nicht vorrangig in der Eingliederung in den Arbeitsmarkt, sondern in der Vermittlung von therapeutischen Hilfen.
    Auch bei einigen Klient*innen, die sich schon lange in Beratung und Betreuung der Mitternachtsmission befinden, führen altersbedingte und/oder krankheitsabhängige Ursachen dazu, dass die vorhandene Selbständigkeit nicht mehr umgesetzt werden kann.
    Diese benötigen kontinuierliche intensive beratende und begleitende Hilfen, die ihr alltägliches Leben betreffen, und überwiegend bei Hausbesuchen und in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen stattfinden.
  • Erarbeitung von Zukunftsperspektiven: In Zusammenarbeit mit den Klient*innen muss eine realistische Zukunftsperspektive – insbesondere in beruflicher Hinsicht – erarbeitet werden: nachträgliche Schulabschlüsse, Abschluss von unterbrochenen Ausbildungen, berufliche Umschulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen, Vermittlung in Sprach- und Integrationskurse, Hilfen bei der Vermittlung in gewünschte Berufe oder mögliche Erwerbstätigkeiten. Auch Aushilfstätigkeiten oder geringfügige Beschäftigungsverhältnisse können die Klient*innen darin bestärken, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

Um effizient helfen zu können, müssen zusätzlich zur individuellen und ganzheitlichen Beratung der Klient*innen Hilfemaßnahmen angeboten werden, die zunächst den Weg für einen erfolgreichen Ausstieg ebnen und die Heranführung und Integration in den Arbeitsmarkt erleichtern.
Um hier erfolgreich tätig zu werden, ist die Dortmunder Mitternachtsmission auf eine gute Zusammenarbeit und die Unterstützung unterschiedlicher Institutionen (z.B. Jobcenter, Agentur für Arbeit, Freie Wohlfahrtsverbände, Weiterbildungsträger) angewiesen.

Es gehört zu den Aufgaben der Mitternachtsmission, die Klient*innen zu beraten und zu begleiten, bis sie in der Lage sind, ohne emotionale und finanzielle Abhängigkeiten ein gesundes, selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben zu führen.

Vernetzungsarbeit

Die Kooperation mit anderen Akteuren ist für die Arbeit der Dortmunder Mitternachtsmission von großer Wichtigkeit und die Voraussetzung für die Erfolge in unserer Arbeit.

Die Vernetzung mit den verschiedenen Trägern, Institutionen, Beratungsstellen und Behörden auf kommunaler, regionaler, überregionaler und auch auf internationaler Ebene ist daher ein Schwerpunkt in unserer Arbeit.

So hat die Dortmunder Mitternachtsmission bereits seit 1995 die kommunalen Runden Tische „Menschenhandel“ und „Kinder und Jugendliche in der Prostitution“ gegründet und hat den kommunalen Runden Tisches „Prostitution“ maßgeblich mitbegründet. Die Koordinierung der Runden Tische liegt bis heute bei der Dortmunder Mitternachtsmission, die auch regelmäßig dazu einlädt. Seitdem gelingt es, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen, Strategien und Absprachen zu erarbeiten und gemeinsame Vorgehensweisen zu vereinbaren, um den Klient*innen möglichst schnell und unbürokratisch Schutz und Hilfe gewährleisten zu können und die Arbeitsbedingungen der Frauen und Männer in der Prostitution zu verbessern.

Die Dortmunder Mitternachtsmission arbeitet in den verschiedenen Arbeitskreisen und Netzwerken mit, z.B. zu Prostitution, Menschenhandel, Kinder- und Jugendschutz und Flüchtlinge auf kommunaler, regionaler und bundesweiter Ebene und ist engagiertes Mitglied z.B. bei:

Lobbyarbeit

Sozialrechtliche Gleichstellung bewirken

Ziele der Dortmunder Mitternachtsmission sind die Beendigung von Diskriminierung, Kriminalisierung und Stigmatisierung und die sozialrechtliche Gleichstellung von allen in der Prostitution arbeitenden Menschen.

Zur Erreichung unserer Ziele gehört zu unserer Arbeit eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit, um über die Problematik von Prostitution und Menschenhandel und die notwendigen Unterstützungsstrukturen zu sensibilisieren und zu informieren. So nehmen wir Kontakt zu Politikerinnen und Politikern, aber auch zu Ministerien und Behörden, auf und stehen mit unseren langjährigen Erfahrungen und Kompetenzen aus der Beratungsarbeit in den Bereichen Prostitution und Menschenhandel beratend zur Verfügung.

Beispielsweise wurde bereits zum Prostitutionsgesetz, das 2002 in Kraft trat, die damalige Leiterin der Mitternachtsmission – Jutta Geißler-Hehlke – als Expertin im Bundestag angehört.

Vor der Einführung des Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG) konnte die Leiterin der Dortmunder Mitternachtsmission, Andrea Hitzke in ihrer Funktion als Vorstand des KOK e.V. bei der öffentlichen Anhörung des Familienausschusses zu dem vorgelegten Entwurf des Gesetzes Stellung beziehen.

Auch bei anderen Gesetzesvorhaben mit Bezug zu Prostitution und Menschenhandel, z.B. Änderung des Sexualstrafrechtes, oder bei der Erarbeitung des Bundeskooperationskonzeptes zu Kinderhandel wird die Erfahrung der Dortmunder Mitternachtsmission mit einbezogen.

Gemeinsam mit den anderen spezialisierten Fachberatungsstellen für Prostituierte (Bufas) und für Opfer von Menschenhandel (KOK e.V. und ECPAT e.V., NRW Vernetzung gegen Menschenhandel) wenden wir uns an die Politik um auf die Probleme und die schwierige Situation unserer Zielgruppen hinzuweisen und Verbesserungen zu erwirken.

Die Dortmunder Mitternachtsmission ist Mitglied bei dem landesweiten Runden Tisch Menschenhandel in NRW und nimmt an verschiedenen Arbeitsgruppen und Arbeitsgemeinschaften auf Bundes – und Länderebene teil, die von Ministerien koordiniert werden.

Auch auf internationaler Ebene, z.B. bei der OSCE in Wien, konnte die Leiterin der Mitternachtsmission im Auftrag des KOK e.V. auf die Situation im Bereich Menschenhandel aufmerksam machen.