Forderungen der NRW-Vernetzung der spezialisierten Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel
PresseText NRW-Vernetzung Tag gegen Menschenhandel
Zum Welttag gegen Menschenhandel am 30.07.2023
Forderungen der NRW-Vernetzung der spezialisierten Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel
Mit Blick auf den Tag gegen Menschenhandel richtet sich die NRW-Vernetzung der spezialisierten Fachberatungsstellen an die politischen Entscheidungsträger*innen und fordert:
- Die Polizei braucht mehr Mittel und Möglichkeiten, um Menschenhandel als Kontrolldelikt verfolgen zu können. Für die Verfolgung der Täter*innen müssen Strukturen aufgedeckt und zerstört werden. Dazu bedarf es der Ermittlungen und Einsätzen durch die Polizei und viele aussagebereite Zeuginnen.
- Es ist dringend notwendig, dass die Polizei, auch die Schutzpolizei, regelmäßig geschult wird mit dem Fokus Ausbeutung und Menschenhandel.
- Die vorhandenen NRW-Runderlasse zu Menschenhandel von 1994 müssen endlich aktualisiert werden.
Die NRW-vernetzten Fachberatungsstellen sind gerne bereit, in einen intensiven Austausch mit den entsprechenden Ermittlungsbehörden zu kommen.
Opferzeuginnen der Schlüssel zum Erfolg seit 1994 in NRW
Nordrhein-Westfalen war das erste Bundesland, das die Bekämpfung von Menschenhandel als wichtigen Schwerpunkt zur Erhaltung der inneren Sicherheit in den Fokus nahm. Dabei war von Anfang an klar, dass die Opferzeuginnen der Schlüssel zum Erfolg sind. Bereits 1994 regelten Erlasse in NRW den Umgang mit ihnen. Diese berücksichtigen den besonderen Status der Betroffenen als Opfer eines schweren Verbrechens und als Zeuginnen in einem möglichen Strafverfahren. Ihre sichere Unterbringung, Beratung und Begleitung durch inzwischen acht spezialisierte Fachberatungsstellen wurde landesweit installiert und so konnten bis heute viele Frauen für ihre Aussagen bei Polizei und Gerichten stabilisiert und auf ihrem Weg zurück in ein menschenwürdiges Leben begleitet werden.
Nur die Spitze eines Eisberges sichtbar ohne Kontrollen
Menschenhandel ist ein Kontrolldelikt, die Fachberatungsstellen vermissen aber regelmäßige Kontrollen. In den letzten 5 Jahren kamen, außer in Düsseldorf, weniger als 10 % der Klientinnen über die Polizei in den Kontakt mit den Beratungsstellen. Im Vergleich dazu waren es vor 20 Jahren weit mehr als 50 % der Klientinnen. Es ist klar, dass die Betroffenen, die jetzt selbst oder über Dritte in die Beratungsstellen gelangen, nur die Spitze eines Eisberges sein können.
Tatorte liegen im Dunkelfeld der Prostitution
Die Betroffenen berichten immer wieder, dass dort, wo sie waren, viele andere Frauen und Mädchen sind, die nicht fliehen konnten. Häufig wissen sie aber nicht, wo sie waren, weil sie immer eingesperrt waren und keine Erinnerung an Städte und Straßen haben. So können ihre Aussagen dann nicht zur Ergreifung der Täter*innen führen.
Die Tatorte befinden sich in der Regel nicht im Bereich und an Orten der legalen Prostitution, sondern liegen eher im Dunkelfeld der Prostitution, in privaten Wohnungen und Häusern, die nur über digitale Recherche von Freiern und Ermittlungsbehörden gefunden werden können.
Kränkung und Demütigung wegen fehlender Ressourcen
In Gesprächen mit der Polizei wird deutlich, dass es für die Vorbereitung und Durchführung von Kontrollen und Razzien an Personal, an finanziellen Möglichkeiten und zeitlichen Kapazitäten fehlt.
Zum Hintergrund
Die NRW-Vernetzung der spezialisierten Beratungsstellen für Betroffene von Menschenhandel, sexueller Ausbeutung und Zwangsprostitution ist ein Zusammenschluss von acht vom Land NRW geförderten Fachberatungsstellen, die betroffene Frauen und Mädchen in ihrer Notlage unterstützen. Die Fachberatungsstellen sind seit über fünfundzwanzig Jahren zuständig für eine engmaschige psychosoziale Beratung, Begleitung und – nach Bedarf – für eine geschützte Unterbringung der Betroffenen.
Darüber hinaus gehören zu den Arbeitsaufgaben die Präventions-, Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Menschenhandel.
Der Welttag gegen Menschenhandel wurde 2013 von den Vereinten Nationen (UN) beschlossen und am 30. Juli 2014 zum ersten Mal begangen. Seitdem wird an diesem Tag auf Menschenhandel als schwere Menschenrechtsverletzung aufmerksam gemacht.